Am 24. September 1991 erschien Nevermind, das zweite Album der US-Band Nirvana. Aus diesem Anlass nehme ich dich mit auf eine Reise nach Seattle und Aberdeen. Dort soll aus dem Kurt Cobain Haus nun ein Museum werden.
Seattle – Heimat des Grunge
Wie viele wissen, stammt die Band Nirvana aus Seattle. Aber nicht nur sie:
Jimi Hendrix wurde am 27. November 1942 in Seattle geboren.
Musikproduzent Quincy Jones ging zur Garfield Highschool, die für ihr Jazzprogramm bekannt ist – auch Jimi Hendrix ging übrigens dorthin, musste die Schule aber wegen schlechter Noten verlassen 🙂
Sehr viel später, am 27. August 1991 brachte die Band Pearl Jam das Kultalbum Ten heraus. Pearl Jam ist die einzige der großen Seattle-Grunge-Bands, die seitdem kontinuierlich besteht und Alben produziert.
Soundgarden, ebenfalls in Seattle gegründet, war 2017 noch auf US-Tournee, bis sich Sänger Chris Cornell am 18. Mai 2017 nach einem der Auftritte das Leben nahm. Superunknown, das legendäre Album von Soundgarden mit dem Song Black Hole Sun, war am 8. März 1994 herausgenommen. Der Name Soundgarden bezieht sich auf eine Skulptur, die auf einem Gelände der nationalen Ozean- und Wetterbehörde in Seattle steht.
Death Cab for Cutie kommt hingegen nicht direkt aus Seattle, sondern aus Bellingham, nördlich davon. Ich kenne die Band vor allem aus dem Twilight Soundtrack Vol. 1, mit dem Titelsong Meet Me on the Equinox, was wiederum absolut in die Gegend passt, denn die Twilight-Romane spielen auf der gegenüberliegenden Seite vom Puget Sound, im Olympic National Park.
Sub Pop, das Plattenlabel, dass sich ursprünglich auf lokale Grunge Bands konzentrierte und Nirvana, Soundgarden, Sonic Youth und die Smashing Pumpkins unter Vertrag hatte, betreibt übrigens einen Plattenladen am Sea-Tac Airport von Seattle.
Geboren innerhalb der Generation X bin ich mit Grunge groß geworden. Ich liebte nichts mehr als zu Alive von Pearl Jam zu tanzen und lebte meine Eifersucht wegen meines ständig fremdflirtenden Exfreunds mit dem Song Where Did You Sleep Last Night aus der legendären Unplugged in New York Session von Nirvana aus. Es war klar, dass ich mich in Seattle unbedingt auf Spurensuche von Kurt Cobain machen würde. Während der Urlaubsvorbereitungen war ich auf den Artikel „Chasing Kurt Cobain in Washington State“ gestoßen. Das war ein absoluter Glücksfall, denn der Autor zeichnet jede einzelne Station von Cobains kurzem Leben nach – mit der Adresse vom Kurt Cobain Haus in Seattle sowie vom Haus seiner Kindheit in Aberdeen, beide im US-Bundesstaat Washington.
Hier geht es zu unserem Besuch des Kurt Cobain Hauses in Seattle.
Das Kurt Cobain Haus in Aberdeen wird ein Museum. Hier geht es zu mehr Infos.
Seattle – die Ausstellung Nirvana – Taking Punk to the Masses 2016
Doch bevor wir beide Adressen aufsuchten, schauten wir uns im Museum of Pop Culture (das ehemalige EMP Museum) die Ausstellung Nirvana – Taking Punk to the Masses an.
Aber das schönste war: Schau mal, wo Nirvana schon am 9. November 1989 gespielt hat: Im guten alten Bad, ein Club in meiner Heimatstadt Hannover:
Es war übrigens, wie auf dem Foto oben zu sehen ist, die Bleach God’s Balls Tour durch Europa, für die sich Nirvana mit der Band TAD zusammengetan hatten, die ebenfalls bei Sub Pop unter Vertrag waren. God’s Balls – das muss ich dir hoffentlich nicht übersetzen 🙂 war das Debütalbum von TAD aus demselben Jahr.
Ehrlich gesagt kannte ich die Band bis zu diesem Blogartikel nicht, aber nach einem kurzen Blick auf den englischen Wikipedia-Artikel ist das auch ganz logisch: TAD war demnach mehr vom Metal der 70er inspiriert als vom Punk, wie die meisten Grunge Bands. Mit Metal konnte ich, bis ich meinen Mann 2006 kennenlernte, herzlich wenig anfangen – abgesehen vielleicht von einem kleinen Faible für Alice Cooper’s Poison oder auch Guns n‘ Roses‘ Paradise City, aber beides kann man ja wirklich nicht zum Metal zählen 🙂
TAD und Nirvana tourten, letztere mit ihrem Debütalbum Bleach aus August 1989, ab Oktober 1989 noch zu zweit durch Europa in vergleichsweise kleinen Clubs. Zwei Jahre später, am 29. September 1991 drückte MTV dann auf den Play-Button für das Video Smells like teen spirit, welches das meistgespielte Video des Senders wurde. Danach wäre ein Auftritt im Bad wohl nicht mehr möglich gewesen 🙂
„When Nirvana hit it big, it was overwhelming because we where part of the counterculture. Nirvana didn’t go to the mainstream – the mainstream came to Nirvana.“
Krist Novoselic, Bassist, Nirvana
Das Kurt Cobain Haus in Seattle
In Seattle hat Kurt Cobain eigentlich nur zwei Jahre seines Lebens verbracht. Zunächst wohnte er mit Courtney Love in diversen teuren Hotels, bevor er sein großes Haus am 171 Lake Washington Boulevard East kaufte, in dessen Gartenhaus er am 5. April 1994 Selbstmord beging. Das Haus liegt im Viertel Denny Blaine. Parallel zum Lake Washington windet sich die gleichnamige Straße Lake Washington Boulevard East am Ufer hoch.
Kurt Cobain’s Seattle House, das unter genau diesem Namen übrigens eine eigene Facebook Fanpage hat, ist bereits seit 1997 nicht mehr im Besitz der Familie. Es ist umgeben von hohen Mauern, die wiederum mit Hecken zugewachsen sind. Ein paar Blicke kann man jedoch erhaschen, wenn man im Gelände herumstreift:
Bis heute verweigert die Stadt Seattle eine letzte Ruhestätte für Kurt Cobain. Man wolle keinen Andrang wie zum Beispiel am Grab von Jim Morrison in Paris. Aber ein paar Schritte neben dem Haus links gibt es den Viretta Park. Hier legen Nirvana-Fans Blumen ab und schreiben Nachrichten auf die Parkbank.
Das Kurt Cobain Haus in Aberdeen
Nur zwei Jahre seines bekannterweise 27 Jahre weilenden Lebens verbrachte Kurt Cobain in Seattle. Geboren und aufgewachsen ist er in Aberdeen, im amerikanischen Bundesstaat Washington, abseits des Tourismus und rund 100 Meilen von Seattle entfernt – das sind gut 160 Kilometer.
Im Osten führt die Interstate 5 von Portland nach Seattle, im Westen fahren die Großstädter am Wochenende in die Sommerfrische nach Long Beach. Aberdeen liegt irgendwo dazwischen, und niemand hatte es so großartig auf dem Plan – bis Nirvana kam und die Musikbranche mit Grunge umkrempelte.
Es liegt eigentlich auf der Hand, dass ein solcher Sound aus einer solchen Gegend kommt. Abgenutzt, unperfekt und nicht zum Vorzeigen. Aber absolut echt. Wohl deswegen heißt einer der bekannteren Songs von Nirvana auch Come as you are. Das steht übrigens auch coolerweise auf dem Eingangsschild der Heimatstadt von Kurt Cobain: Aberdeen – Come as you are 🙂
Wie Aberdeen, Kurts Heimatstadt aussieht? Die Vororte sind recht heruntergekommen, aber das Stadtzentrum ist eigentlich ganz schön. Nicht prätentiös, aber beschaulich. Zwar hatte ich die Adresse vom Kurt Cobain Haus seiner Kindheit, aber spaßeshalber fragte ich trotzdem die Jugendlichen, die im Jack in the Box bedienten, wo wir Kurt Cobains Geburtshaus finden könnten.
Kurt wer? fragten sie – ach Kurt Cobain! Das Mädchen hinter der Burgerbrater-Bedientheke wusste Bescheid, aber ihr Kumpel hatte absolut keinen Plan, von wem wir sprachen. In Kurt Cobains Heimatort! Er sagte, wir sollten lieber mal zum Star Wars Shop um die Ecke fahren, den betreibe sein Vater, und das sei die wahre Sehenswürdigkeit in Aberdeen 🙂
Mich zog es aber zu Kurt Cobains Geburtshaus. So fuhren wir durch ein paar Straßen mit bescheidenen Häusern unweit der Hauptdurchgangsstraße, bis wir vor dem Haus 1210 East First Street anhielten. Durch den relativ neuen und sehr zu empfehlenden Dokumentarfilm Cobain: Montage of Heck mit vielen Originalfotos, -videos und -tagebuchaufzeichnungen, den wir kurz vor der Reise gekauft hatten, kam es uns ein wenig bekannt vor.
Der Film wurde übrigens mitproduziert von seiner heute 25-jährigen* Tochter Frances Bean Cobain (geboren 18.08.1992; Bean, weil Kurt anhand des Ultraschallbildes sagte, sein Kind sehe aus wie eine Bohne 🙂 ) Frances Beans Mitarbeit an dem Dokfilm habe Türen geöffnet, die anderen Regisseuren bislang verschlossen geblieben seien, heißt es. Klar – denn alles, was Cobain betrifft, ist mit hohen rechtlichen Auflagen verbunden.
*Dieser Artikel entstand schon 2016 nach einer Reise in die Pazifischen Nordwesten.
Wir wussten, dass Kurt in dem gelben Haus in der East First Street bis in seine Schulzeit hinein relativ verwöhnt bei seinen Eltern aufwuchs und von allen als aufgewecktes, witziges und extrem kreatives Kind geliebt wurde.
Mit der Scheidung seiner Eltern nahm dieses Leben ein völligen Bruch: Kurt, der als hyperaktiv eingestuft wurde und deshalb als Kind schon Ritalin nehmen sollte und nahm, lebte in den folgenden vier Jahren bei zehn verschiedenen Familien.
Während mich sein Selbstmord 1994 relativ kaltgelassen hatte und ich ihn einfach auf das durchgeknallte Wesen vieler Musiker und Künstler geschoben hatte, konnte ich Kurts Wesen, seinen Weg und seine Gedanken während unserer Reise, 25 Jahre nach dem Release des Albums Nevermind, deutlich besser verstehen.*
*s.o. Dieser Artikel entstand schon 2016 nach einer Reise in die Pazifischen Nordwesten.
Dazu hatte, wie erwähnt, der Dokumentarfilm Cobain: Montage of Heck (Heck= Hölle) entscheidend beigetragen. Und nun führe ich dich dahin, wo Kurt Cobain geboren wurde und seine Kindheit verbrachte.
Update: Kurt Cobain Haus in Aberdeen wird zum Museum
Als wir im Jahr 2016 das Elternhaus von Kurt Cobain in Aberdeen besuchten, war ein Jahr vorher die Nachricht erschienen, dass es verkauft worden war. Angeblich wollte der Käufer dort ein Museum einrichten.
Aber damals waren für uns keine Anzeichen zu erkennen, dass sich irgendjemand um das Haus kümmerte oder es weiterentwickeln wollte. Aber es war logischerweise gut gesichert – zumindest ließ das Siegel einer Securityfirma das vermuten, und so probierten wir es auch nicht aus, uns mal darin umzuschauen.
Erst fünf Jahre später – 2021 im Juli – hatte das Rolling Stone Magazine Neuigkeiten: Das rund 140 qm große Häuschen mit hellgelber Fassade war 2018 für 225.000 Dollar noch einmal an neue Besitzer überschrieben worden.
Und diese kümmerten sich endlich um den Eintrag in das Heritage Register kulturell bedeutender Gebäude. Gleichzeitig gab der Miteigentümer des Hauses, Lee Bacon, bekannt, dass die Renovierungsarbeiten so gut wie abgeschlossen sind.
Die Räume sollen wie damals ausgestattet werden, als Kurt Cobain in den Siebziger Jahren dort wohnte. Im Inneren des Hauses befinden sich wohl noch der originale Esszimmertisch und die Porzellanvitrine von Kurt Cobains Familie. Auch private Führungen sind geplant – allerdings nur zu wenigen festgelegten Zeiten, denn das Kurt Cobain Haus liegt in einer Wohngegend und kann daher nicht ständig als Museum genutzt werden.
Sogar die Matratze aus seinem Schlafzimmer und das Kinderzimmer-Set, das der Nirvana-Musiker und seine Schwester Kim benutzten, sollen noch vorhanden sein.
Aberdeen – Kurt Cobain Landing
Sehr empfehlenswert ist auch der Besuch des Memorials Kurt Cobain Landing ein paar Straßen weiter. Wie bereits erwähnt, gibt es keine Grabstätte des Sängers, und es gibt auch keinen von der Stadt finanzierten Wallfahrtsort.
Für nicht wenige war der Musiker lange Zeit einfach ein langhaariger Junkie, ein Nichtsnutz, ein Aussteiger, ein Schulabbrecher, einer, der die Arbeit scheute und sich von seiner Freundin aushalten ließ. Ein typisches Vorbild von Leuten aus der Generation X also 🙂
Nach und nach besinnt man sich in Aberdeen aber doch auf Kurts Bedeutung, Leistung und vor allem auch auf sein tragisches Leben, das ein trauriges Ende nahm. Mit Kurt Cobain Landing hat man einen Ort eingerichtet, der Kurt vielleicht näherkommt als jedes Grab das könnte.
Denn das Memorial liegt am Wishkah River, direkt an der Young Street Bridge – ein Ort, an dem sich Kurt während seiner Jugend oft stundenlang aufhielt, um nicht zu sagen auf der Flucht vor Zuhause. Im Film Montage of Heck wird gesagt, Kurt habe sogar ein paar Wochen unter dieser Brücke geschlafen. Das kann durchaus stimmen.
Was allerdings umstritten ist: ob die Asche von ihm in den Wishkah River gestreut worden war. Denn um die Asche von Kurt Cobain ranken sich viele Geschichten. Angeblich hat Courtney Love sie sich klauen lassen. Sie habe die Asche jahrelang in ihrer Wohnung in einer Handtasche aufbewahrt, heißt es.
Bis heute bezweifeln viele, dass er tatsächlich Suizid begangen habe. Hier geht es zu einer aktuellen Nachricht.
Was ich in Aberdeen sah, das waren die Orte, an denen Kurt als Jugendlicher abgehangen hat. Zum Beispiel eben der Wishkah River in der Nähe des Hauses, in dem er aufgewachsen war. Das indianische Wort Wishkah bedeutet stinkender Fluss – und in der Tat ist das Gewässer in der Verlängerung der Sümpfe zwischen North und Willipa Bay, im Gegensatz zu so vielen glasklaren Flüssen Amerikas, ziemlich muddy.
Manch einer erinnert sich vielleicht an das Nirvana-Album From the Muddy Banks of the Wishkah (Von den schlammigen Ufern des Wishkah) – und ja, es wurde vom ehemaligen Bassisten Krist Novoselic in Erinnerung an den Bandleader zusammengestellt und am 1. Oktober 1996 veröffentlicht.
Die Tatsache, dass Kurt Cobain an den Ufern des Wishkah mit seinem klangvollen Namen so viel Zeit verbracht hat, stimmt mich rührig. Schließlich kennen doch viele Menschen einen solchen unheroischen, dreckigen, versteckten Ort, den sie mit ihrer Jugend verbinden. Kurt Cobain – ein Mensch wie du und ich?
Den Platz unter der Brücke hat Kurt Cobain übrigens in einem Song festgehalten, der mir ganz besonders viel bedeutet. Es ist der Song Something in the way:
Underneath the bridge ..
Lee Bacon, der das Elternhaus von Kurt Cobain zum Museum herrichtet, kaufte außerdem ein 25.000 Quadratmeter großes Gebäude in Aberdeens Innenstadt, das als Tribute Lounge and Gallery Cafe genutzt werden soll. Dort wird man Fotos, Gegenstände und andere Erinnerungsstücken von und mit Kurt Cobain sehen können.
Endlich wird Kurt Cobain dann, 30 Jahre später, die Erinnerung zuteil, die ihm zusteht: als Teil der Musikkultur, als bekannteste Ikone der Grunge Musik – und als Mensch.
Danke für den schönen Artikel. Als „Radio-Veteranin“ (derzeit bin ich beim US-Internetsender http://xxxrock.fm zu hören, für den ich wöchentliche Rock-News produziere) möchte ich noch ergänzen, dass wohl bald eine Chris Cornell-Tour folgen könnte. Der Bildhauer Wayne Toth, der auch die Johnny Ramone-Statue auf dessen Grab am Hollywood Forever Cemetery in L.A. gestaltet hat, soll Chris´ Witwe Vicky bereits einen Entwurf vorgelegt haben. Nun beginnt die Suche nach einem geeigneten Platz dafür in Seattle. Im Gegensatz zu Kurt Cobain ist Chris Cornell tatsächlich in Seattle geboren.
Hallo Veronika,
sehr gerne und danke für den Tipp!
Julia Beatrice
Liebe Julia,
wow, was für ein toller Beitrag mit so viel Herzblut und Hintergrundinformationen. Mein Mann und ich haben Elvis Wohnhaus und Museum besucht und sind auch schon in diversen Musikstudios in den USA gewesen. In Seattle waren wir leider noch nicht. Aber vor dem Grab von Jim Morrison in Paris sind auch wir gestanden. Puh, das Seattle keine Ruhestätte für Kurt Cobain geduldet hat, mag ich einerseits verstehen. Andererseits finde ich es wirklich traurig.
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate,
danke für deinen lieben und ausführlichen Kommentar. Spannend, wo ihr schon überall gewesen seid!
Ja, ich finde es auch traurig. Alles ist schon so lange her, viele Umstände sind ungeklärt und letztendlich ist Kurt Cobain einfach ein Mensch, der wie jeder Mensch Würde verdient hat.
Liebe Grüße zurück,
Julia