Kannst du dich nicht von Überflüssigem trennen und fragst dich, wo das noch hinführen soll? Bist du mit der Zeit in immer größere, teurere Wohnungen gezogen und musst du jetzt immer mehr kostbare Zeit damit verbringen, dein Hab und Gut zu entstauben und zu pflegen? Du möchtest mit weniger leben, weißt aber einfach nicht, wo du anfangen sollst?
Ich zeige dir, wie du damit anfangen kannst, deinen materiellen Besitz zu reduzieren – hier kommen drei erste Schritte und weiter geht es dann mit allen Beiträgen aus meiner Minimalismus Challenge.
Schritt 1: Bücher
Ein sensibles Thema. Wenn du ein Bücherwurm oder Musik- bzw. wahlweise Film- und Serienfan bist, stellen sich wahrscheinlich gerade deine Nackenhaare hoch. Trotzdem möchte ich dir Ideen ans Herz legen, wie du hier reduzieren kannst. Vorher kurz zu mir: Ich bin Bücherwurm, hatte in der Schule Deutsch-Leistungskurs und studierte später Literaturwissenschaft. Entsprechend ist mein Regal voll mit den altbekannten gelben Reclamheften und weiteren geistigen Errungenschaften aus allen literarischen Epochen. Dazu die Belletristik – und: Meine Patentante schenkt mir jedes Jahr zu Ostern, Weihnachten und zum Geburtstag ein Buch, und zwar seit ich lesen kann. Und ich konnte früh lesen. Immer, wenn wir umziehen, mache ich mir Feinde, weil die armen Umzugshelfer meine Bücher schleppen müssen.
Nach dem letzten Umzug sah ich nur eine Möglichkeit: die Anschaffung eines Kindles (oder Tolinos). Seit zwei Jahren habe ich nun einen eBook-Reader und komme sehr gut damit zurecht. Mir gefällt, dass er so leicht ist, sich dank der Hülle nicht wie ein Buch abnutzt, und mir fehlt die Haptik von Büchern kein bisschen. Mein Bücherregal habe ich in neue Abteilungen sortiert und alles enger zusammengestellt, so dass ich nun weiß: Mehr als meine zwei Regale sowie mein Sideboard für CDs werde ich insgesamt in unserer Wohnung nicht benötigen. Ich werde also zumindest keine neuen Möbel zum Verstauen von derlei Dingen mehr kaufen müssen.
Einige Bücher habe ich auch aussortiert. Bücher zu entsorgen ist in meiner Stadt übrigens ein rundherum befriedigendes Erlebnis, denn es gibt in vielen Stadtteilen so genannte Bücherschränke. Immer, wenn ich mit dem Rad zur Arbeit fuhr, packte ich ein, zwei ausrangierte Bücher hinten in den Rucksack und stellte sie unterwegs in den Bücherschrank. Da ich auf diese Weise einige Wochen lang immer wieder am selben Bücherschrank vorbeikam, konnte ich zu meiner Freude feststellen, dass der Bestand dort regelmäßig wechselt und meine Bücher tatsächlich mitgenommen worden waren. Adieu, Momox – ich glaube, die Menschen in dem Stadtteil haben sich über den neuen Lesestoff sehr gefreut.
Schritt 2: Saisonales
Gestaltest du auch deine Wohnung regelmäßig im Laufe der Jahreszeiten um? Ich persönlich schmücke zu Weihnachten, Ostern – und bald danach, wenn die ersten Sonnenstrahlen kommen, räume ich die Gartensachen aus der Garage ins Freie. Diese Aktionen sind eine gute Gelegenheit, um nebenbei auszusortieren. Ich habe zum Beispiel mittlerweile nur noch eine Kiste mit Weihnachts- und Ostersachen. Dadurch, dass ich konsequent Weihnachtsschmuck und Ostersachen aussortiert habe, die ich nicht mehr mag. Von diesen bastelte ich Geschenke für Freundinnen.
Auch zu Silvester kannst du dir die Frage stellen: Muss ich wirklich böllern? Mein Mann und ich haben dieses Jahr Silvester in London gefeiert und daran hat uns gefallen: In London versammeln sich alle – Einwohner wie Touristen – an der Themse, um das Feuerwerk am London Eye zu verfolgen. Außer am Trafalgar Square wird so gut wie nirgendwo sonst in der Achtmillionenstadt geböllert. Als wir am Neujahrstag wieder in Deutschland landeten, fiel uns der ganze Feuerwerksmüll noch viel stärker auf, der wahrscheinlich bald irgendwo in den Weltmeeren kreist, wenn er nicht schnell genug aufgesammelt wird.
Schritt 3: Das Auto verkaufen
Während die ersten beiden Schritte hin zum Minimalistisch leben recht leichtfüßig daherkommen, hat es Schritt 3 richtig in sich. Aber ich war mittlerweile so weit, dass ich es umgesetzt habe. Da ich seit Corona dauerhaft im Homeoffice arbeite und vom Dorf in eine Kleinstadt gezogen bin, ist es absolut kein Problem, auf das Auto zu verzichten. Es fehlt mir nicht.
Warum manchmal ein blöder Zufall dazu führt, ohne Auto zu leben und welche 10 guten Gründe es dafür gibt, das hat Jenny vom Blog Weltwunderer einmal aufgeschrieben. Hier geht es zu ihrem Beitrag 10 Gründe warum wir (immer noch) ohne Auto leben.
Du siehst also, es gibt viele Möglichkeiten, wie du anfangen kannst, minimalistisch zu leben. Wichtig ist, zu einem anderen Denken zu kommen: Überlege nicht ständig, was du noch brauchst und wie du es gegenfinanzierst. Prüfe stattdessen, wie du mit dem zurechtkommst, was du bereits hast bzw. liste kurz auf, was du wirklich benötigst. Damit hast du schon den ersten Schritt zu einem freieren Leben getan, in dem dein Besitz dich nicht mehr belastet.
Wie ich angefangen habe, minimalistisch zu leben
Damit du weißt, warum ich minimalistisch leben will, nehme ich dich mit auf eine kleine Reise.
Die Geschichte ereignete sich auf Vancouver Island. Die Strände dort sind absolut großartig, wilde Schönheiten. Also gingen Nils und ich oft an verschiedenen Stränden entlang. Am Chesterman Beach, kurz nachdem wir einen Tee im Wickaninnish Inn getrunken hatten, sah ich plötzlich eine Holzhütte, auf der stand in großen Lettern Arts, also Kunst. Das weckte meine Neugier, wir gingen näher heran und sahen einen circa 45 Jahre alten Mann vor der Hütte sitzen. Ich fragte ihn: What are you doing? Und er sagte: I’m carving wood. Er bezeichnete sich als Feather George, denn er schnitzte Federn aus Wurzelholz. Die Hütte ist Georges Werkstatt. Den ganzen Tag lebt und arbeitet er am Strand, diesem einmaligen Flecken Erde im Pacific Rim Nationalpark. Ich weiß noch, dass ich in diesem Moment dachte, dass das Leben eigentlich so einfach sein kann.
Ich hingegen wühlte mich damals (2016) werktags durch den Berufsverkehr zu meinem Vollzeitjob, hatte oft nicht einmal Zeit, mir vernünftiges Essen zuzubereiten und war am Wochenende damit beschäftigt, das Haus zu putzen, die Regale und entstauben und die sich stapelnde nervige Post zu beantworten. Nach der Begegnung mit Feather Goerge dachte ich oft über die Begebenheit nach. Mir kam der Gedanke, dass mein gesamter Lifestyle zum einen sehr teuer ist, weil ich in einem der reichsten Länder der Erde wohne, zum anderen aber auch, weil Ausgaben entstehen, die ich nicht hätte, wenn ich nicht arbeiten müsste:
Wir bräuchten nicht zwei Autos, sondern kämen mit einem zurecht. Ich würde nicht so viel Kleidung benötigen, um jeden Tag etwas anderes auf der Arbeit tragen zu können. Und vor allem müsste ich mir nicht so viele Konsumgüter kaufen oder mir neue Kicks und Erlebnisse schaffen, um einen Ausgleich zum Job zu finden. In mir reifte die Vorstellung auszusteigen, einfach, um zu schauen, mit wie wenig ich leben kann und wie viel Geld und materielle Dinge ich wirklich brauche.
Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass viele erlernte und von der Gesellschaft gelebte Verhaltensmuster wie ein kleines Teufelchen auf der Schulter sitzen und einen boshaft fragen: Wovon willst du denn leben, glaubst du wirklich, dass du genug Schreibaufträge bekommst? Außerdem bist du so ein großer Schisshase, du kämst in der Wildnis nicht weit, weil du permanent Angst hättest vor Schlangen, Bären und Vielfraßen! Was willst du denn später mal machen, wenn du ’ne alte Omi bist, dann hast du keine Rente eingezahlt und gehst zur Tafel oder wie?
Ich muss zugeben, dass diese (nicht diese, aber solche) Gedanken mich bis dahin davon abhielten, das Aussteigen tatsächlich anzugehen. Aber – so dachte ich – ich kann mich doch zumindest auf den Weg begeben, meine materiellen Sachen nach und nach einer strengen Begutachtung zu unterziehen und mich zu fragen: Brauche ich das oder kann das weg?
Heute (2022), fast 6 Jahre nach der Begegnung im Jahr 2016 mit Feather George auf Vancouver Island, bin ich so viel weiter gekommen als damals. Zwar kündigte ich meinen Job nicht, verkaufte oder verschenkte nicht all meine Sachen, bis auf ein paar wertvolle Erinnerungen, die ich in einlagerte. Aber es ist schon eine ganze Menge entsorgt worden und ich bin weiter dabei. Nachfolgend zeige ich dir alle Teile meiner Minimalismus Challenge – vom minimalistischen Kleiderschrank bis hin zu einem reduzierten Arbeitsmodell.
Alles Liebe,
Julia Beatrice
Sehr cooler Blog und treffender Text, die gleichen Gedanken mache ich mir auch schon länger und arbeite daran. Die ganze Woche arbeiten, um dann das hart verdiente Geld am Wochenende aus Langeweile in der nächsten Shopping Mall auszugeben. Scheinen offensichtlich viele so zu machen 🙂
Warum nicht weniger arbeiten (oder eine Arbeit, die mehr Spaß macht und ggf. schlechter bezahlt ist) und dafür weniger Blödsinn kaufen.
Lange bin ich auch dem Irrglauben erlegen, ich musste unbedingt ein eigenes Haus haben und dieses ganze Zeug. Was bin ich froh, dass ich das jetzt anders sehe 🙂
Grüße und weiter viel Erfolg!
Sebastian
Hi Sebastian,
vielen Dank für dein Lob und für das Feedback. Es zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin, meine Erfahrungen mit anderen zu teilen. Denn – wie du auch schreibst: Es leben viele Menschen nach diesem Muster. Aber umgekehrt werden es immer mehr, die anfangen, den Teufelskreis zu hinterfragen. Man kann zumindest versuchen, umzudenken.
Und das ist schon schwer genug. Dieses „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ wird durchgehend als allgemeingültiges Lebensmodell verkauft, und du verbraucht eine unglaubliche Energie, um anderen (Eltern, Großeltern, Freunden) zu verklickern: Nö! Geht auch anders. Mitunter stellst du fest, dass du mit manchen Menschen nicht mehr auf einen Nenner kommst.
Aber je klarer du in dir drin bist und je genauer du weißt, weshalb du so lebst, wie du lebst, desto lieber schickt dir das Leben Menschen, die dich bestärken und die dich weiterbringen.
In diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn wir in Kontakt blieben und habe dir eine Anfrage auf Insta geschickt 🙂
Eine gute Zeit wünscht dir
Julia Beatrice